MAHABODHI LINDENFELS

Die fünf Hindernisse
Wenn wir in der Meditation zur Ruhe kommen und den inneren Frieden entdecken möchten, stoßen wir wahrscheinlich auf einige Hindernisse. Diese Hindernisse sind mehr oder weniger immer in unserem Geist vorhanden. In der Regel werden wir sie uns aber erst in der Meditation bewusst und erleben sie als störende Faktoren. Obwohl wir sie als störende Faktoren erleben, bietet das Bewusstwerden dieser Hindernisse eine große Chance. Jetzt, da wir sie erkannt haben, haben wir die Möglichkeit, sie zu überwinden. Und indem wir diese Hindernisse überwinden, entwickeln sich daraus positive Qualitäten.
Wir alle sind Teil dieser einen Wirklichkeit und leben in dieser einen Wirklichkeit. Ob wir dies auch so erfahren, hängt nur von der Klarheit unseres Geistes ab. Die Hindernisse werden auch Trübungen genannt, weil sie eine Art Nebel in unserem Geist bilden, der uns daran hindert, diese eine Wirklichkeit unmittelbar zu erfahren. Wenn sich diese Trübungen auflösen, werden wir die Wirklichkeit so erfahren, wie sie ist, und die Unwissenheit in Bezug darauf, wie die Dinge wirklich sind, wird sich in Wissen verwandeln.
Meditative Versenkung
Ein Ziel der Meditationspraxis ist das Erreichen der meditativen Versenkung (Samadhi). Dabei ist zu beachten, dass Meditation hier nicht im herkömmlichen Sinne als Nachdenken über etwas zu verstehen ist. Das Wort Meditation bezieht sich hier auf die Übersetzung des Pali-Wortes Dhyana, das die meditative Versenkung an sich bezeichnet. Die Art des Bewusstseins, die mit der meditativen Versenkung einhergeht, unterscheidet sich wesentlich von der Art des Bewusstseins, welches wir im täglichen Leben erfahren. Woran erkennen wir, dass wir in der meditativen Versenkung angekommen sind? Bis zu dem Punkt, an dem wir in der meditativen Versenkung angekommen sind, könnten wir die Übung leicht unterbrechen und aufstehen. Wenn wir in der Versenkung angekommen sind, ist das wesentlich schwieriger. Es bedarf eines gewissen bewussten Impulses, um diesen Meditationsfluss wieder zu verlassen. Werfen wir nun einen kurzen Blick auf die Hindernisse, auf die Mittel, mit denen wir sie überwinden können, und auf die Qualitäten, die sich aus ihrer Überwindung entwickeln.

Geistige Unruhe
Um die verschiedenen Stufen der Meditation, die mit der meditativen Versenkung einhergehen, zu erreichen und ihre positiven Qualitäten zu erfahren, ist es wichtig, ein Gleichgewicht zwischen geistiger Ruhe und Energie zu finden - ein Gleichgewicht zwischen Entspannung und Wachheit. Geistige Ruhe ohne Energie führt zu Schläfrigkeit. Energie ohne geistige Ruhe hingegen führt zu Nervosität und Verspannung, also genau zum Gegenteil dessen, was wir erreichen wollen. Eines der Hindernisse ist also die geistige Unruhe. Diese geistige Unruhe zeigt sich als Gedankenfluss und ein ständiges Hin und Her des Geistes, der sogenannte Affengeist, der nervös von Ast zu Ast springt.
Die Meditation beginnt meist mit der Atembetrachtung. Wir würden uns gerne auf den Atem konzentrieren, wäre da nicht dieser Gedankenfluss und dieses Hin und Her des Geistes, die uns daran hindern. Nun ist dieser Gedankenfluss und dieses Hin und Her nicht das Problem, sondern das Anhaften daran und das Vermeidenwollen. Wir sollten auf keinen Fall versuchen, diesen Gedankenfluss und dieses Hin und Her zu unterdrücken, sondern immer wieder zum Atmen zurückkehren, bis sich der Gedankenfluss und auch das Hin und Her des Geistes von selbst beruhigt. Es ist nur eine Frage der Ausdauer und Geduld. Wenn der Geist zur Ruhe kommt, entwickelt sich daraus die Kraft der geistigen Ruhe.
Schläfrigkeit
Ein weiteres Hindernis ist, wie bereits erwähnt, die Schläfrigkeit. Die Beruhigung von Körper und Geist führt zum Herunterfahren des Körper-Geist-Systems, was wiederum mit etwas in Verbindung steht, was wir jeden Tag tun, nämlich schlafen. Automatisch schaltet das Körper-Geist-System beim Einschlafen in den Energiesparmodus. Nun arbeiten wir in der Meditation genau daran, den Körper-Geist zu beruhigen und eben dieses Körper-Geist-System herunterzufahren, was dazu führen kann, dass wir einschlafen. Wenn wir diesen Moment des Einschlafens rechtzeitig bemerken und die Energie aufbringen können, dieser Schläfrigkeit entgegenzuwirken, dann entwickelt sich daraus die Kraft der Achtsamkeit.
Begehren
Ein weiteres Hindernis ist das Begehren. Dieses Begehren ist letztlich der Wunsch, einen Zustand des absoluten Friedens zu erreichen, und da wir noch nicht (ausreichend) erkannt haben, dass dieser Zustand bereits in uns vorhanden ist, versuchen wir, ihn durch Befriedigung mittels äußerer Dinge zu bewirken.. Ein Ausdruck unseres Begehrens sind unsere Wünsche. Nun könnte man fragen, ob der Wunsch nach Glück und Frieden auch ein Begehren ist. Ob das so ist, hängt nur davon ab, ob dieser Wunsch aus dem subjektiven Ich, unserem Ego, kommt oder aus der klaren Betrachtung dieses Lebewesens. Wenn unsere Wünsche aus Liebe, Mitgefühl und Wohlwollen kommen, dann sind sie sogar wichtige Helfer auf dem spirituellen Weg. Eine andere Frage könnte sein, ob man alle Wünsche über Bord werfen sollte. Nein, lautet die Antwort. Das würde nicht funktionieren und der Versuch würde nur zu Frustration führen. Wir sollten uns aber darüber im Klaren sein, dass die Erfüllung dieser Wünsche nicht zu dauerhaftem Frieden führt. Wenn wir darüber hinaus in der Meditation die Suche im Außen für eine Weile einstellen und den allgegenwärtigen Zustand des absoluten Friedens in uns selbst kennenlernen, entwickelt sich daraus von selbst die Kraft des Verzichts.
Aversion
Aversion ist sozusagen die Kehrseite des Begehrens. Beim Begehren wollen wir Angenehmes erleben, bei der Aversion wollen wir Unangenehmes vermeiden. Beide sind durch einen Zustand der Unzufriedenheit gekennzeichnet - in beiden Fällen wollen wir etwas, das nicht ist. Aversion äußert sich als geistiger Widerstand, aus dem Ärger, Zorn und Wut entstehen können. Wenn wir erkennen, dass diese Aversion und ihre Auswüchse mit unseren eigenen Wünschen zusammenhängen, werden wir weniger geneigt sein, andere Menschen oder äußere Umstände für unsere Unzufriedenheit verantwortlich zu machen. In der Meditation können wir mit dem Hindernis der Aversion konfrontiert werden, da der Geist daran gewöhnt ist, im Außen zu suchen, und wir in der Meditation versuchen, ihn dazu zu bringen, sich auf uns selbst zu richten. Dies kann zu einem Widerstand des Geistes führen. Auch in der Meditation kann sich dieser Widerstand als Ärger, Zorn und Wut zeigen. Allerdings sind diese jetzt nicht auf andere Menschen oder äußere Umstände gerichtet, sondern einfach nur da. Mittels der anhaltenden Betrachtung dieser Geisteszustände entwickelt sich die Kraft des Gleichmuts.
Zweifel
Das letzte der fünf Hindernisse ist der Zweifel. Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Zweifel: destruktiven Zweifel und konstruktiven Zweifel. Destruktiver Zweifel entsteht aus mangelndem Vertrauen oder sogar Misstrauen. Destruktiver Zweifel oder Zweifelsucht bedeutet, dass alles und jeder in Frage gestellt wird. Diese Zweifelsucht ist ständig von einem Gefühl der Unsicherheit begleitet und hinter jeder Geste und jedem Wort wird ein Hintergedanke vermutet. Oft verdichtet sich dieser Zweifel so sehr, dass im Laufe der Jahre der negative Einfluss auf Körper und Geist spürbar wird. Dieses Hindernis wiegt so schwer, dass unter dem ständigen Einfluss des Zweifels kein nennenswerter geistiger Fortschritt zu erwarten ist. Ein Merkmal der Zweifelsucht ist die mangelnde Bereitschaft, die Dinge auf ihren wahren Grund hin zu untersuchen. Der beste Weg, diese Zweifelsucht zu überwinden, ist, sie in konstruktiven Zweifel umzuwandeln.
Der konstruktive Zweifel entspringt der Unwissenheit und beinhaltet im Gegensatz zum destruktiven Zweifel das Wissenwollen, wie die Dinge wirklich sind. Man sollte übrigens darauf achten, dass dieses Wissenwollen nicht zum Begehren wird. Dieser Zweifel ist zwar ein Hindernis, das übrigens in der Meditation vorübergehend verschwinden kann, ist aber gleichzeitig ein großer Motivator und eine große Hilfe auf unserem Weg. Um dieses Hindernis endgültig zu überwinden, bedarf es neben einer gesunden Neugier und einer aufrichtigen Untersuchung auch den Willen, den Weg bis zum Ende zu gehen. In der spirituellen Entwicklung bezieht sich der Zweifel auf die Unwissenheit über den Weg und das Ziel, die vollkommene Erleuchtung. Erst wenn wir den Weg ganz gegangen sind und das Ziel erreicht haben, wird sich die Unwissenheit in vollkommenes Wissen verwandeln und damit dieser Zweifel endgültig überwunden sein. Auf dem Weg dorthin, durch unsere Erfahrungen, die die Richtigkeit dieses Weges bestätigen, entwickelt sich aus dem Zweifel die Kraft des Vertrauens.
Zusammenfassend kann man sagen, dass aus der geistigen Unruhe durch Konzentration die Kraft der geistigen Ruhe entsteht, aus der Schläfrigkeit durch ihr Entgegenwirken die Kraft der Achtsamkeit, aus dem Begehren durch die Erkenntnis des inneren Friedens die Kraft des Verzichts, aus der Aversion durch ihre Betrachtung die Kraft des Gleichmuts und aus dem Zweifel durch das Voranschreiten auf dem Weg die Kraft des Vertrauens.